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Verzweiflung

So tönet dann, schäumende Wellen, Und windet euch rund um mich her!
Mag Unglück doch laut um mich bellen, Erbost sein das grausame Meer!
Ich lache den stürmenden Wettern,
Verachte den Zorngrimm der Flut;
mögen mich Felsen zerschmettern!
Denn nimmer wird es gut.
Nicht klag ich, und mag ich nun scheitern,
In wäßrigen Tiefen vergehn!
Mein Blick wird sich nie mehr erheitern,
Den Stern meiner Liebe zu sehn.
So wälzt euch bergab mit Gewittern,
Und raset, ihr Stürme, mich an,
Daß Felsen an Felsen zersplittern!
Ich bin ein verlorener Mann.

Wenn es dann schließlich eintritt, ist ja alles
schon tausendmal durchdacht und längst besprochen,
hast du dich schon so oft mit deiner Angst verkrochen
und alles durchgerechnet für den Fall des Falles,
daß nun, wo’s wirklich ernst wird, nicht einmal ein Pochen
im Hals dir zeigt, wie es mit Urgewalt
dich überkommt. Mit einem Herz aus Glas, ganz kalt,
tust du und läßt, was du dereinst versprochen,
und lebst ansonsten einfach weiter. Erst nach Wochen
fällt dir ein Wimmern auf, wie es ununterbrochen
ans Ohr dir dringt. Doch nebenan der Raum ist leer,
und wie du schließlich merkst, du selber bist es, der
ganz leis’ zu hören ist, da wird dir jählings schwer
ums Herz, und erst in diesem Augenblick ist es gebrochen.
Aufgabenstellung:
1. Interpretieren Sie das Gedicht „Verzweiflung“ von Johann Ludwig Tieck. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere die Rolle der Natur für die Verarbeitung des Verlustes.
60 %
2. Vergleichen Sie die Darstellung der Verlusterfahrung in Tiecks Gedicht mit derjenigen in dem Gedicht „Das Unglück“ von Matthias Politycki. Berücksichtigen Sie dabei sowohl in-haltliche als auch sprachlich-formale Aspekte.
40 %
Bearbeiten Sie beide Teilaufgaben in einem strukturierten, zusammenhängenden Text.